Presse- und Meinungsfreiheit vs. Datenschutz: Eine Gratwanderung nach § 126a StGB

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In einer demokratischen Gesellschaft sind Presse- und Meinungsfreiheit grundlegende Rechte, die es ermöglichen, Standpunkte frei zu äußern und Informationen zu verbreiten. In Deutschland haben diese beiden Rechte die Stellung eines Grundrechtes und genießen damit höchsten Schutz und Achtung.

Allerdings können diese Freiheiten mit dem Schutz personenbezogener Daten kollidieren, wie es in § 126a des Strafgesetzbuches (StGB) seit Ende 2021 festgelegt ist. § 126a StGB regelt das gefährdende Verbreiten personenbezogener Daten und stellt eine strafbare Handlung dar. Es handelt sich dabei um eine relativ junge Regelung, die sich auf das Doxing und die Veröffentlichung von “Feindeslisten” bezieht. Anlass für das Einführen des § 126a StGB waren die “Feindeslisten” die in rechtsextremen Netzwerken für Aufmerksamkeit gesorgt haben.

§ 126a StGB schützt zum einen die individuelle Sicherheit betroffener Personen unter anderem vor Angriffen auf Körper und Leben und zum anderen den Öffentlichen Frieden im Sinne der allgemeinen Sicherheit vor Gewaltkampagnen. Zumindest der Schutz der betroffenen Personen vor Angriffen auf Körper und Leben stellt ebenfalls ein grundrechtlich garantiertes Schutzrecht dar.

Doxing meint das Sammeln und Veröffentlichen personenbezogener Daten im Internet mit bösartigen Absichten gegenüber den Betroffenen. Bislang wurden Handlungen des Doxing oft nicht strafrechtlich verfolgt. Dies lag daran, dass die bestehenden Bestimmungen des Strafgesetzbuches (§§ 202 ff. StGB) hauptsächlich auf rechtswidrig erlangte Daten abzielten und das Doxing nicht umfassend abdeckten.

  • Presse- und Meinungsfreiheit sind grundlegende Rechte in einer demokratischen Gesellschaft.
  • § 126a StGB regelt das strafbare Verbreiten personenbezogener Daten, das geeignet ist, Personen oder ihren nahestehenden Personen Gefahr zuzufügen.
  • Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stärkt den Schutz personenbezogener Daten in der Europäischen Union.
  • Abwägung zwischen Presse- und Meinungsfreiheit und Datenschutz ist erforderlich, wenn es zu Kollisionen kommt.
  • Art und Umfang der veröffentlichten personenbezogenen Daten, Informationsgehalt, öffentlicher Nutzen und potenzielle Gefahr für betroffene Personen müssen bewertet werden.
  • Journalisten tragen Verantwortung bei der Veröffentlichung personenbezogener Daten und sollten ethische Standards und journalistische Sorgfaltspflichten einhalten.
  • § 126a StGB hat Auswirkungen auf den Journalismus und erfordert eine verantwortungsvolle Herangehensweise.
  • Eine ausgewogene Balance zwischen Presse- und Meinungsfreiheit sowie Datenschutz ist wichtig, um Grundrechte zu gewährleisten.
  • Strafverfolgungsbehörden müssen zwischen Meinungs- und Pressefreiheit einerseits und der Strafverfolgung andererseits eine sorgfältige Abwägung vornehmen.
  • Bei Maßnahmen gegen Journalisten sollten Vorsicht, Verhältnismäßigkeit und Augenmaß walten.

Was sagt das Datenschutzrecht dazu?

Vor dem Hintergrund des Datenschutzes stellt sich die Frage, wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in diesem Zusammenhang anwendbar ist. Obwohl die DSGVO nicht speziell auf Doxing ausgerichtet ist, können bestimmte Situationen unter die Bestimmungen der DSGVO fallen. Wenn beispielsweise eine politische Gruppierung eine Feindesliste veröffentlicht, kann dies als Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Artikel 4 Nr. 2 DSGVO betrachtet werden. Auch das elektronische Speichern der Liste fällt unter die automatisierte Verarbeitung gemäß Artikel 2 Absatz 1 DSGVO.

Die Anwendung der DSGVO unterliegt jedoch bestimmten Voraussetzungen, insbesondere im privaten Umfeld. Die “Haushaltsausnahme” des Artikels 2 Absatz 2 lit. c DSGVO würde in solchen Fällen wahrscheinlich nicht greifen. Die Betroffenenrechte gemäß Artikel 13 ff. DSGVO können in gewissem Maße angewendet werden, sind jedoch nicht optimal auf die Situation von Doxing-Opfern zugeschnitten. Die Identifizierung der verantwortlichen Personen oder Gruppierungen, die unter Pseudonymen im Internet aktiv sind, kann eine Herausforderung darstellen. Zudem zögern Opfer oft, gegen die Täter vorzugehen, da diese bereits gezeigt haben, dass sie sich nicht an Recht und Gesetz gebunden fühlen.

Trotz dieser Herausforderungen bestehen rechtliche Handlungsmöglichkeiten in Fällen, in denen die DSGVO anwendbar ist. Gemäß Artikel 17 DSGVO kann die Löschung der eigenen Daten gefordert werden, sowohl auf dem Veröffentlichungsmedium als auch an anderen Stellen, an denen der Verantwortliche die Daten noch vorhält. Auch ein Unterlassungsanspruch kann in Betracht gezogen werden, um weitere Veröffentlichungen zu verhindern.

Zudem kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht. Gemäß Absatz 1 des Artikels 82 DSGVO hat eine Person, die infolge eines Verstoßes gegen die DSGVO einen materiellen oder immateriellen Schaden erleidet, einen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Verantwortlichen. Erforderlich dafür aber, dass auch wirklich ein Schaden vorliegt. Ein Schaden kann dabei sowohl ein materieller als auch immaterieller Schaden sein. Als immaterieller Schaden kann gemäß Erwägungsgrund 75 der DSGVO bereits der Verlust der Kontrolle über personenbezogene Daten als Schaden betrachtet werden. In ähnlicher Weise argumentiert das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 28.10.2021 (Az. 16 U 275/20) in Bezug auf den fehlerhaften Versand einer Patientenakte. Demnach muss nach einer Verletzung des Rechts, wie der Veröffentlichung von personenbezogenen Daten, nicht zwingend ein weiterer Schadensfall, wie tatsächliche Nachstellung oder Belästigung der betroffenen Person, eintreten. Die alleinige psychologische Belastung, die durch die feindselige Veröffentlichung ausgelöst wird, kann bereits als immaterieller Schaden betrachtet werden.

Fazit

Die Abwägung zwischen Presse- und Meinungsfreiheit einerseits und Datenschutz andererseits ist komplex. Die Presse spielt eine wichtige Rolle bei der Aufdeckung von Missständen und der Wahrung der Transparenz in der Gesellschaft. Gleichzeitig haben Personen das Recht auf Privatsphäre und Kontrolle über ihre persönlichen Informationen. Bei Kollisionen zwischen diesen Grundrechten ist eine sorgfältige Abwägung im Einzelfall erforderlich. Dabei müssen der Informationsgehalt, der öffentliche Nutzen der Veröffentlichung, die potenzielle Gefahr für betroffene Personen und der Schutz der Privatsphäre und persönlichen Integrität berücksichtigt werden.

Journalisten tragen eine hohe Verantwortung, insbesondere bei der Veröffentlichung personenbezogener Daten. Sie sollten sicherstellen, dass solche Daten nur dann veröffentlicht werden, wenn es im öffentlichen Interesse liegt und keine unverhältnismäßige Gefahr für betroffene Personen besteht. Die Einhaltung ethischer Standards und journalistischer Sorgfaltspflichten spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Es ist von großer Bedeutung, dass Strafverfolgungsbehörden bei der Abwägung zwischen Meinungsforschungs- und Pressefreiheit einerseits und der Strafverfolgung andererseits äußerste Vorsicht, Verhältnismäßigkeit und Augenmaß walten lassen. Insbesondere im Umgang mit Journalisten sollte besondere Sorgfalt angewendet werden, um sicherzustellen, dass die Ausübung ihrer beruflichen Aufgaben nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird. Dies gewährleistet, dass die Rolle der Presse erhalten bleibt und gleichzeitig der Schutz personenbezogener Daten gewahrt wird.

Der Schutz der journalistischen Freiheit ist ein essentieller Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft und muss entsprechend berücksichtigt werden, um die Meinungsvielfalt und den öffentlichen Diskurs aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig sollten Strafverfolgungsbehörden sicherstellen, dass eine angemessene und verhältnismäßige Strafverfolgung stattfindet, um mögliche rechtswidrige Handlungen zu ahnden und die Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten.

Diese schwierige Gratwanderung kann nur bewerkstelligt werden, wenn bei der Abwägung zwischen Meinungs- und Pressefreiheit und Strafverfolgung die Strafverfolgungsbehörden jeden Einzelfall sorgfältig prüfen und bewerten. Bei Zweifeln bezüglich des Tatverdachts oder dem Tatbestand der Gefahrenlage des Betroffenen sollten daher Strafverfolgungsmaßnahmen zugunsten der Journalisten milde ausfallen.